Was ein Montessori-Kurs im Kindergarten verändert

In unserem AIDS-Projekt Tsibogang betreiben wir seit etwa 7 Jahren auch zwei Kindergärten. In dieser Zeit sind wir um etliche Erfahrungen reicher geworden, was für die Kinder nötig ist, um auf die Schule und nicht zuletzt das Leben vorbereitet zu werden. Viele unserer Kinder kommen aus Familien, in denen sie keine Gelegenheit hatten, z.B. mal einen Stift in die Hand gedrückt zu bekommen oder irgendwelche Grundfertigkeiten zu erlernen. Etliche Kinder sind in ihrer Sprachentwicklung zurück, weil zu wenig Kommunikation mit ihnen stattfindet. Die Mütter haben keine Zeit, die Grossmütter haben keine Geduld oder sind überfordert , weil einfach zu viele Enkelkinder unter ihrer Obhut sind.

Wir sahen, dass unsere Mitarbeiterinnen in den Kindergärten eine bessere Ausbildung brauchen, um für alles das ausgerüstet zu sein. 2011 habe ich selbst eine Montessori-Ausbildung angefangen, deren theoretischen Teil ich in diesem Jahr abgeschlossen habe. Seitdem versuchte ich, unseren Mitarbeiterinnen so viele Anregungen wie möglich zu geben. Zu Beginn diesen Jahres entdeckte ich im Internet einen Kurs in der Nähe von Stellenbosch bei Kapstadt, in dem innerhalb von 2 Wochen die Grundlagen der Montessori.Pädagogik vermittelt werden sollten. Es gab gute Ausbilderinnen, und der Kurs war einigermaßen bezahlbar (was ja sonst bei Montessori-Ausbildung meist nicht der Fall ist). Nach einigen Anrufen und E-mails war es dann soweit, dass unsere fünf Frauen angemeldet waren. Nicht nur das, sie bekamen sogar ein Stipendium, die Kursgebühren wurden also bezahlt.

Am 1. Oktober reisten die fünf Frauen zusammen mit dem vier Monate alten Baby von Motlalepula nach Kapstadt, alle saßen zum erstenmal im Flugzeug. Nach zwei Tagen hörte ich gerüchteweise, dass sie alle Probleme damit hatten, vegetarisch zu essen. Das ist nämlich die Philosophie des Sustainability Institute – sie bauen alles Gemüse dort selbst an, organische Landwirtschaft, Papier , Strom – alles in Eigenwirtschaft hergestellt. Dazu haben sie einen Montessori-Kindergarten, der für den Kurs Gelegenheit zur Anschauung bot. Alles, was sie theoretisch lernten, konnten sie dann angewandt dort sehen. Das war wohl auch, was sie dann überzeugt hat.

Am 20. Oktober kamen sie dann zurück zur Arbeit und ich traute meinen Augen nicht, als ich den Rebaone-Kindergarten besuchte: Alles war auf den Kopf gestellt worden. Der neu gebaute Klassenraum war fertig geworden und zum Gebrauch bereit – an dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle Spenderinnen und Spender, die das ermöglicht haben! Alles Material, das vorher in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt wurde und nur unter Aufsicht benutzt werden durft, wurde in Regale eingeräumt, so dass die Kinder freien Zugang dazu haben. Im alten Klassenraum wurde eine Bücherecke eingerichet: Ich besorgte Kissen, die schön bezogen wurden . Nun sieht man die Kinder gemütlich darauf liegen oder sitzen und Bücher anschauen, die sie vorher nie in die Hände bekommen haben.

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Jane erklärte mir: „Wir müssen die Beine der Stühle und Tische kürzen, so dass die Kinder richtig daran sitzen können.“ Gesagt, getan, am folgenden Samstag machten unser Praktikant Florian (Thabang) und ich uns auf dem Weg nach Rebaone und veränderten etliche Möbel. Der Renner für die Kinder ist ein Abwaschtisch: Aus zwei Tischen sägte Florian zwei Kreise aus, in die Schüsseln gesteckt wurden. Nun waschen die Kinder selbst ihr Geschirr nach dem Essen ab – mit wachsender Begeisterung.

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Aber damit hört es nicht auf:  Auch das tägliche Programm hat sich verändert. Zweimal am Tag gibt es Zeiten, in denen ca. 10 Kinder im Kreis sitzen und eine der Kindergartenhelferinnen führt ihnen das Material vor. Die anderen Kinder sitzen an Tischen oder auf dem Fußboden und arbeiten mit dem Material. Der Geräuschpegel hat sich enorm verringert.

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Als ich Monei fragte, was sie bei dem Kurs am meisten beeindruckt habe, sagte sie: „Ich habe gemerkt, dass ich so darauf fixiert war, den Kindern etwas aufzuzwingen, von dem ich dachte, dass müssten sie machen, dass ich gar nicht gemerkt habe, wie das an ihnen vorbei ging. Ich möchte von jetzt an mich an dem orientieren, was die Kinder brauchen und wollen, und will mich auf sie einstellen. Am Ende des Workshops hatte ich das Bedürfnis, mich bei all den Kindern zu entschuldigen für das, was ich ihnen angetan habe.“

Christel Hermann

 

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